Sally Rooney, Normale Menschen/Normal People (2018)

Wer dieses Jahr auf der Frankfurter Buchmesse war, konnte sich darüber wundern, dass der Jugendsparte „Young Adult“ viel Raum gewidmet wurde für Bücher, in denen auf – sagen wir –leicht verständlichem Niveau Liebes- und Lebensgeschichten mit bunten Umschlägen geboten werden. Noch mehr wundern kann sich, wer einen der ebenfalls vor allem an junge Leute gerichteten Romane der hochgefragten irischen Autorin Sally Rooney liest. Ihre Bücher sind echte „Reißer“, die - ähnlich wie die Harry-Potter-Bände damals – von Fans heiß ersehnt und den Buchhändlern nahezu aus den Händen gerissen werden. Wer das im Hinterkopf hat, staunt nicht schlecht, wenn er eines ihrer Werke liest, denn offenbar hat sich die Definition von spannendem Lesestoff über die Jahre deutlich verändert. 

Der zweite Roman von Sally Rooney „Normal People“ wurde in den USA innerhalb kürzester Zeit zum Bestseller und schnell Stoff einer überaus erfolgreichen TV-Serie. Es geht um die komplexe Beziehung zweier irischer Schüler aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten in den Jahren 2008 bis 2015. Der hochintelligente und beliebte Connell beginnt eine Beziehung mit seiner Klassenkameradin Marianne. Letztere ist ebenfalls sehr intelligent, dabei aber ausgesprochen unbeliebt und reich. Die beiden treffen sich heimlich, trennen sich zunächst und kommen dann wieder zusammen, als sie in Dublin am Trinity College ihr Studium aufnehmen. 

Während Marianne im Studium aufblüht, kämpft Connell mit seiner Herkunft und fühlt sich unsicher. Ein ganz großer Teil des Romans dreht sich darum, wie beide mit ihren psychischen Problemen umgehen: Bei Marianne ist es der sehr schwierige und lieblose familiäre Hintergrund, wohingegen Connell mit Minderwertigkeitskomplexen und Depressionen fertig werden muss. In nüchterner Alltagssprache werden das Studentenleben und das intensive Auf und Ab der Beziehung zwischen den Hauptpersonen geschildert, die beide die gesellschaftlichen Vorgaben nicht erkennbar hinterfragen. Die Außenwelt spielt dabei kaum eine Rolle. Wie es anderen Menschen geht, was gleichzeitig in Irland oder sonst in der Welt geschieht, scheint für diese Geschichte kaum eine Rolle zu spielen. Die „Millennials“, d.h. die Geburtsjahre 1980 – ca. 1994, werden hier als eine Generation dargestellt, die sich hauptsächlich um sich selbst dreht.

Die hohen Verkaufszahlen und zahlreichen Preise für dieses Buch lassen den Rückschluss zu, dass sich hier Teile einer Generation wiederfinden. Vielleicht muss man ihr angehören, um sich für diesen sprachlich schlichten und insgesamt eher phantasiearmen Stoff zu begeistern. Vertreter anderer Generationen können das nur erstaunlich finden, zumal diese Nabelschau dann auch noch „normale Menschen“ darstellen soll. Es bleiben Fragezeichen und ein Gefühl leichter Irritation.

 (01.11.2024)

 

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