Über manche Bucherfolge kann ich mich nur wundern. Dieser Kurzroman eines ehemaligen Topmanagers gehört ganz bestimmt dazu. Innerhalb weniger Stunden wird hier einem rastlosen Geschäftsmann durch das Gespräch mit einem Kartoffelbauern klar, dass er sein Leben verändern muss, um ihm mehr Tiefe zu geben und seiner Familie wieder näher zu sein. Das Ganze spielt in einer herrlichen Gegend auf dem Lande an strahlenden Sommertagen,
Der namenlose Ich-Erzähler begegnet am Morgen eines Wochenendes, das er ausnahmsweise allein im Landhaus der Familie verbringt, beim Joggen dem Kartoffelbauern Karl, der nackt einem See entsteigt. Der anschließende Sprung ins kalte Wasser wirkt sofort klärend auf den gestressten Protagonisten. Dann folgen ein kerngesundes gemeinsames Frühstück, eine Treckerfahrt, stundenlange Gespräche und nach nicht einmal 48 Stunden sind die Männer beste Freunde.
Sich zu fragen, ob das Ganze realistisch ist und wie weit der Landkitsch von der Realität modernen Ackerbaus entfernt ist, ist sicher nicht der richtige Ansatz. Auch von einzelnen Stilblüten sollte man sich nicht abhalten lassen, obwohl einiges schon haarsträubend ist: „Eine Frau wie eine Blumenwiese, frisch, blühend, lebensfroh.“ oder „Wir lachten laut und grübelten leise.“. Der Dorfarzt ist „ein selbstloser Mediziner im besten Sinn… für das Dorf Arzt und Seelsorger zugleich.“. An alte Märchenbücher erinnert ein Satz wie: „Das Gespräch lag mir wie ein Wackerstein im Magen.“. Ganz besonders irritiert: „Der Tag lag wie ein gebügeltes Nachthemd auf dem Kopfkissen.“.
Dennoch muss es einen Grund dafür geben, dass aus diesen unter 200 mühelos in wenigen Stunden zu lesenden Seiten innerhalb kürzester Zeit ein Bestseller wurde. Die Fragen, die der Naturmensch Karl dem verbildeten Städter und international tätigen Geschäftsmann stellt, scheinen bei vielen Lesern einen Nerv zu treffen. Was machen, wenn man noch etwa 25 Sommer vor sich hat? Weiter wie bislang von Termin zu Termin, ständig am Smartphone und nie richtig bei der Sache? Oder lieber durch eine neue Perspektive dem eigenen Leben wieder Sinn geben? Wenn dieses Buch es schafft, so viele Menschen zu derartigen Überlegungen zu ermuntern, will ich hier nicht weiter über die zahlreichen platten Äußerungen lästern. Es gäbe allerdings jede Menge gehaltvollerer Bücher, die sich dieser Themen auf gut lesbare Art annehmen.
(06.12.2024)
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