Ich binde in mein Coachingangebot immer Leseempfehlungen ein und wende mich daher besonders an Menschen, die gerne lesen. An jedem ersten Freitag im Monat stelle ich in meinem Blog ein Buch vor. Das „Freitagsbuch“ kann ein Roman oder ein Fachbuch sein. Alle Bücher verbindet etwas: Sie drehen sich um Themen, die Menschen in Umbruchsituationen beschäftigen.
Bücher wirken inspirierend und die Leser nehmen etwas mit von den beschriebenen Verhaltensweisen, indem sie Ideen aufgreifen oder Fehler vermeiden. Da Literatur immer individuell wirkt, fühlt sich der Leser nicht von jedem Titel gleich stark angesprochen. Ich biete hier eine Auswahl meiner Lektüre an und hoffe, dass dadurch möglichst viele Leser ihre eigene Situation überdenken und in Ansätzen klären. Zudem wünsche ich den Lesern viel Vergnügen mit meiner Auswahl und immer wieder die beruhigende Erkenntnis, dass sie nicht allein dastehen mit ihren Problemen.
Ich folge meinem persönlichen Bewertungssystem:
- 6 Bücher = einfach wunderbar
- 5 Bücher = unbedingt lesenswert für eine bestimmte Lesergruppe
- 4 Bücher = interessant für eine bestimmte Lesergruppe
- 3 Bücher = nischig, nur für eine bestimmte Lesergruppe
- 2 Bücher = unterhaltsam, aber nicht mehr
- 1 Buch = lieber etwas anderes lesen
Andrea Grill, Cherubino (2019)
Was passiert, wenn eine Opernsängerin kurz vor ihrem internationalen Durchbruch schwanger wird?
Bei allem, was uns seit dem vergangenen Jahr bezüglich Politik und Gesundheit umtreibt, treten private Themen eher in den Hintergrund. Um dem bewusst entgegenzuwirken, griff ich neulich nach diesem Roman über eine schwangere Opernsängerin. Die österreichische Autorin Andrea Grill ist eine vielseitig begabte Frau mit international erworbener Erfahrung auf so unterschiedlichen Feldern wie Biologie und Linguistik. Als Vorbereitung auf diesen Roman hat sie intensive Gespräche mit Opernsängerinnen geführt, um sich in die Welt der Oper und der Stimme einzufühlen, was ihr hervorragend gelungen ist.
Gaspard Koenig, Das Ende des Individuums/La fin de l'individu (2019)
Wie wird das Thema künstliche Intelligenz unser Leben verändern?
Der junge Pariser Philosoph Gaspard Koenig ist auch in Deutschland vielen als Vertreter des französischen Liberalismus bekannt, nicht zuletzt wegen seiner Reise zu Pferd von Bordeaux nach Rom auf den Spuren Montaignes im vergangenen Jahr. Er wählte für diesen langen Ritt bewusst ein Navigationssystem, das sich nicht lokalisieren lässt, womit wir beim Thema sind. Koenig ist ein politischer Mensch und überzeugter Europäer mit klar ausgeprägter liberaler Grundausrichtung. Dementsprechend heißt der von ihm gegründete Think Tank „Génération libre“.
Daniel Kehlmann, Tyll (2017)
Eine Gesellschaft gerät aus den Fugen
Kann ein Roman über den Dreißigjährigen Krieg spannend und mitreißend sein? Ja, er kann, wenn sich ein Autor wie Kehlmann dieses Stoffes annimmt und eine schillernde Figur wie Tyll Ulenspiegel wieder auferstehen lässt.
Der Müllersohn Tyll ist schon früh geschickt im Jonglieren und Balancieren. Nach dem tragischen Tod seines Vaters verlässt er jung sein Dorf in Süddeutschland und wird begleitet von der Bäckerstochter Nele, die lange mit ihm reist, bis sie irgendwann einen Diplomaten heiratet und Tyll alleine weiterzieht.
Kazuo Ishiguro, Alles, was wir geben mussten / Never let me go (2005)
Viele Interpretationsmöglichkeiten
Nach dem großartigen Roman Was vom Tage übrigblieb / The Remains of the Day (1989) ging ich vor einigen Wochen mit ganz großen Erwartungen an den für mich zweiten Roman von Ishiguro. Größer könnte der Kontrast zwischen zwei Werken jedoch nicht sein und so war ich zunächst sehr enttäuscht von dieser Geschichte, bei der mir bis zum Schluss nicht klar wurde, ob es sich um einen Clon- oder Science-Fiction-Roman oder einfach um eine Betrachtung zum Thema Freundschaft handelt. Vielleicht ist sie aber auch von allem etwas.
Siegfried Lenz, Die Auflehnung (1994)
Wenn das alte Leben nicht mehr funktioniert
Seit einigen Monaten bin ich auf Instagram aktiv (@sichlesendentwickeln) und stelle dort zunehmend fest, dass in den Bücher-Accounts immer wieder dieselben aktuellen Titel rezensiert werden. Daher habe ich beschlossen, mich hier stärker unbekannteren oder klassischen Werken zu widmen. So griff ich nach einem Roman von Siegfried Lenz über einen berufsunfähigen Teeverkoster, den ich als passionierte Teetrinkerin vor einiger Zeit entdeckt und gleich gelesen habe. Es ist ein eher unbekannter Lenz, der nicht sofort begeistert, dann aber den Leser in seinen Bann zieht.