Ich binde in mein Coachingangebot immer Leseempfehlungen ein und wende mich daher besonders an Menschen, die gerne lesen. An jedem ersten Freitag im Monat stelle ich in meinem Blog ein Buch vor. Das „Freitagsbuch“ kann ein Roman oder ein Fachbuch sein. Alle Bücher verbindet etwas: Sie drehen sich um Themen, die Menschen in Umbruchsituationen beschäftigen.
Bücher wirken inspirierend und die Leser nehmen etwas mit von den beschriebenen Verhaltensweisen, indem sie Ideen aufgreifen oder Fehler vermeiden. Da Literatur immer individuell wirkt, fühlt sich der Leser nicht von jedem Titel gleich stark angesprochen. Ich biete hier eine Auswahl meiner Lektüre an und hoffe, dass dadurch möglichst viele Leser ihre eigene Situation überdenken und in Ansätzen klären. Zudem wünsche ich den Lesern viel Vergnügen mit meiner Auswahl und immer wieder die beruhigende Erkenntnis, dass sie nicht allein dastehen mit ihren Problemen.
Ich folge meinem persönlichen Bewertungssystem:
- 6 Bücher = einfach wunderbar
- 5 Bücher = unbedingt lesenswert für eine bestimmte Lesergruppe
- 4 Bücher = interessant für eine bestimmte Lesergruppe
- 3 Bücher = nischig, nur für eine bestimmte Lesergruppe
- 2 Bücher = unterhaltsam, aber nicht mehr
- 1 Buch = lieber etwas anderes lesen
Joachim Meyerhoff, Hamster im hinteren Stromgebiet (2020)
Wenn die Selbstverständlichkeit der Existenz plötzlich abhandenkommt
Über dieses Buch, den fünften Teil von Meyerhoffs Lebensgeschichte, ist schon so viel geschrieben worden, dass ich gezögert habe, dem noch etwas hinzuzufügen. Es ist die Geschichte seines Schlaganfalls mit 51 Jahren, der ihn von jetzt auf gleich aus der Normalität reißt und alles in Frage stellt. Den Büchern, die diesem vorgeschaltet sind - den dritten Band von 2015 habe ich hier bereits vorgestellt - ist der ganz normale Wahnsinn zu entnehmen, der bis zum Schlaganfall sein Leben charakterisiert hat. Ich hatte mich schon einige Male gefragt, wie er diese Existenz auf Hochtouren auf die Dauer würde durchhalten können. Mit 51 bekam er in Wien plötzlich die Quittung.
Lisa Halliday, Asymmetrie/Asymmetry (2018)
Ein starkes Debüt voller Überraschungen
Es gibt sie also doch, diese Erfolgsgeschichten junger Autoren, die mit dem ersten Buch die internationale Bühne erobern: Lisa Halliday ist der Beweis. Denn der jungen Amerikanerin, die in Harvard studiert hat und in Mailand lebt, ist mit ihrem ersten Roman ein großer Wurf gelungen, der ihr viel Ruhm und große Bekanntheit verschafft hat.
Virginia Woolf, Zum Leuchtturm/To the Lighthouse (1927)
Die Erzählweise brach mit den klassischen Gewohnheiten
Nichts liegt mir ferner, als den berühmten Klassiker von Virginia Woolf als Sommerroman abzutun, aber ich habe ihn vor einigen Monaten wieder in der Hand gehabt und darin eben auch einen sehr sommerlichen Hintergrund vorgefunden. Daher habe ich To the Lighthouse, das mehrfach auf Listen der besten englischen Romane des vergangenen Jahrhunderts auftaucht, für das heutige hochsommerliche Datum ausgewählt. Dabei geht es hier nicht um unvergessliche Dialoge oder faszinierende Handlungsstränge, sondern die experimentelle Erzählweise war das eigentlich Besondere, als das in drei Teile gegliederte Buch vor fast 100 Jahren erschien.
Philippe Sands, Rückkehr nach Lemberg/East West Street (2016)
Ein unfassbarer Rechercheaufwand führt zu einem einzigartigen Buch
Gestern war ich im neuen Jüdischen Museum in Frankfurt, das nach der langen Schließung durch die Pandemie endlich für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Das Museum verfügt über einen gut sortierten Buchladen, in dem mir sofort dieses Buch auffiel, das ich gerade gelesen habe. Wenn es noch einer Erinnerung bedurft hätte, dass ich dieses Werk hier vorstellen möchte, dann wäre es mir spätestens in diesem Moment klar geworden. Denn es ist ein ganz faszinierendes Buch, eine Mischung aus Familien- und Rechtsgeschichte mit dem deutschen Untertitel Über die Ursprünge von Genozid und Verbrechen gegen die Menschlichkeit; eine persönliche Geschichte.
Ronya Othmann, Die Sommer (2020)
Zwischen den Stühlen
Manche Bücher werden von der Kritik sehr positiv aufgenommen und erhalten diverse Preise. Doch nicht jeder Leser muss das nachvollziehen können. So erging es mir mit dem vielgepriesenen Debütroman von Ronya Othmann Die Sommer, der sich um den Syrienkrieg dreht.
Leyla, Tochter einer deutschen Mutter und eines kurdischen Vaters, weiß nicht recht, ob sie eher deutsch oder kurdisch ist. Die Familie bricht jeden Sommer von Bayern aus auf und reist in das Dorf der Großeltern in Nordsyrien, nahe der Türkei.