Ingeborg Bachmann/Max Frisch, Wir haben es nicht gut gemacht: Der Briefwechsel (2022)

Als im Herbst 2023 der Film "Ingeborg Bachmann: Reise in die Wüste" herauskam, sah der Kinogänger eines der schwierigsten Paare der Literaturgeschichte vor allem durch die Brille von Ingeborg Bachmann. Sie wurde unter der Regie von Margarethe von Trotta als zerbrechlich und sensibel dargestellt, während der brachial auftretende Max Frisch die Rolle des Buhmanns spielte, der auf ihren Gefühlen herumtrampelte und sie im Grunde nicht verdient hatte. Der sehr aufwendig editierte Briefwechsel erzählt diese Geschichte anders.

Die vier Herausgeber haben fast 300 der ursprünglich ausdrücklich nicht zur Veröffentlichung gedachten Briefe zusammengestellt, in denen der Leser den Verlauf dieser Beziehung vom ersten Kontakt 1958 bis lange nach der Trennung 1962 verfolgen kann. Auf 580 Seiten Briefe folgen fast 500 Seiten Kommentare und nicht immer handelt es sich in den Briefen um literarische Sternstunden, denn auch große Geister beschäftigen sich nicht unbeträchtliche Teile ihres Lebens mit kleinteiligen Absprachen, Terminen und Details. Die eigenen Unzulänglichkeiten und Selbstzweifel durchziehen diese Korrespondenz und zeigen zwei begabte Menschen, die oft sehr unsicher sind und sowohl um ihre Liebe als auch um ihre Stellung in der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur kämpfen. Alkohol und Tabletten spielen dabei immer wieder eine Rolle. 

Das Paar lernt sich kennen, fühlt sich angezogen von vielen gemeinsamen Interessen, bewegt sich schnell aufeinander zu, richtet sich zusammen ein und sehr bald kommt es zu den ersten Meinungsverschiedenheiten. Beide brauchen viel Freiraum für sich, um schreiben zu können, und stehen sich gegenseitig im Weg. Zudem ist vor allem Ingeborg Bachmann ständig unterwegs und dem Leser wird über Strecken schwindelig von ihrer unaufhörlichen Reiserei. So wartet Frisch viel auf sie und sie schreibt ihm immer wieder Briefe, die er für ihren Geschmack oft nicht zügig oder emotional genug beantwortet. Beide gestehen sich von Anfang an viel Freiraum für Affären zu, leiden dann aber an der Offenheit ihrer Beziehung. Frisch räumt später ein, dass er Fehler gemacht habe, spricht aber auch sie nicht frei und resümiert schließlich: "Wir haben es nicht gut gemacht." 

Schließlich wird Ingeborg krank, wofür sie ihm die Schuld gibt, und es beginnen endlose Vorwürfe. Als die Trennung unausweichlich scheint, verhärtet sich der Ton und es geht plötzlich immer wieder um Geld, Besitz und Möbel. Die Entwicklung dieser Beziehung von starker anfänglicher Faszination bis zur hochkomplizierten, zermürbenden Trennung ist aus meiner Sicht ein insgesamt hochkomplexes, literarisch wertvolles Beispiel für etwas, das es kaum noch gibt: Briefkultur. 

 

(08.03.2024)