Angelika Schrobsdorff, Du bist nicht so wie andre Mütter: Die Geschichte einer leidenschaftlichen Frau (1992)

Am Sonntag ist Muttertag in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Aus diesem Anlass habe ich mir die Geschichte einer besonderen Mutter-Tochter-Beziehung ausgesucht. Sie erzählt davon, wie stark eine solche Beziehung prägen und viele Entscheidungen im Leben beeinflussen kann.  Zudem geht es darum, dass eine einst sehr wohlhabende Frau plötzlich in ein anderes Land fliehen und sich auf einen völlig anderen Lebensstandard einstellen muss.

Angelika Schrobsdorff hat nach ihrer Flucht aus Deutschland 1939 in verschiedenen Ländern gelebt und in Jerusalem und Paris zahlreiche Bücher geschrieben, darunter auch diese Lebensgeschichte ihrer mondänen Mutter, in der sie Privates, Historisches und Politisches zu einem großen literarischen Erfolg vereinte.

Else Kirschner wächst unbekümmert in einem wohlhabenden Berliner Haushalt in der Weimarer Republik auf. Sie lebt als assimilierte Jüdin in einer Welt zwischen wilden Partys, Kunst und Kultur ein luxuriöses, gänzlich unpolitisches Leben. Sie brennt zunächst mit einem Künstler durch, bekommt 2 Kinder und heiratet dann den preußischen Junker Erich Schrobsdorff. 1939 muss sie mit ihren Kindern vor den Nazis fliehen und sich in Bulgarien ein neues Leben aufbauen. Eine weitreichendere Veränderung hätte es im Leben der einst glamourösen Berliner Dame kaum geben können. Der dramatische Umbruch belastet auch das Verhältnis zwischen Else und ihrer Tochter Angelika, das immer angespannt bleiben wird. Mutter und Kinder überleben den Krieg in Bulgarien und kehren später nach Deutschland zurück.

Das Bild, das Angelika Schrobsdorff von ihrer exaltierten Mutter zeichnet, hat viele Facetten. Sie ist einerseits sehr unkonventionell, lebenslustig und schillernd. Andererseits nimmt sie sich wenig Zeit für ihre Kinder und lebt stark ihre eigenen Interessen aus. Das Resultat ist ein recht gespaltenes Mutter-Tochter-Verhältnis zwischen Faszination und Vorwürfen.

Ich empfehle diese Lektüre allen, die über ihre Rolle als Mutter und/oder Tochter nachdenken wollen. Ebenso lohnt es sich zu lesen, wie Else sich nach der Flucht ihrem neuen Leben in Bulgarien stellt und ein hohes Maß an Flexibilität einbringen muss, um nach Luxus und Ausschweifung ein wesentlich einfacheres, unspektakuläres Leben zu führen.

(08.05.2020)