Kazuo Ishiguro, Alles, was wir geben mussten / Never let me go (2005)

Nach dem großartigen Roman Was vom Tage übrigblieb / The Remains of the Day (1989) ging ich vor einigen Wochen mit ganz großen Erwartungen an den für mich zweiten Roman von Ishiguro. Größer könnte der Kontrast zwischen zwei Werken jedoch nicht sein und so war ich zunächst sehr enttäuscht von dieser Geschichte, bei der mir bis zum Schluss nicht klar wurde, ob es sich um einen Clon- oder Science-Fiction-Roman oder einfach um eine Betrachtung zum Thema Freundschaft handelt. Vielleicht ist sie aber auch von allem etwas.

Jedenfalls beginnt die Geschichte in einem englischen Internat, auf dem die drei Freunde Kathy, Ruth und Tommy aufwachsen. Vieles, was auf dieser Schule geschieht, versteht der Leser nicht: Warum sollen die Schüler derart viel malen und was geschieht mit ihren Werken, die ihnen regelmäßig weggenommen werden? Und was passiert in Norfolk, dem immer wieder erwähnten Ort, der bedeutsam scheint, aber unerklärt bleibt? Die seltsam trockene, nüchterne Sprache macht das Buch zudem so unheimlich wie spannend und der Leser will wissen, wohin das alles führt.

Bis zum Schluss ist für mich nicht greifbar geworden, ob das Clonen und das damit verbundene Überschreiten ethischer Grenzen das eigentliche Thema ist oder ob es um die Entwicklung des Mädchens Kathy geht, das trotz der freundschaftlichen Verbindungen zu Tommy und Ruth seinen eigenen Weg gehen muss. Besonders interessant werden dieses Buch diejenigen finden, die Dystopien etwas abgewinnen können. 

(1.10.2021)