Ottessa Moshfegh, Mein Jahr der Ruhe und Entspannung / My Year of Rest and Relaxation (2018)

Angesichts der derzeitigen unübersichtlichen allgemeinen Gemengelage fiel mir kürzlich ein Buch über eine besondere Auszeit auf. Es sollte darum gehen, dass eine junge Frau sich ein Jahr lang zurückzieht, um mit Hilfe von Tabletten zu schlafen. Sie will dadurch ein anderer Mensch werden.

Die namenlose Protagonistin hat früh beide Eltern verloren, die ihr ein großes Vermögen hinterlassen haben, so dass sie es sich leisten kann, ab dem Jahr 2000 eine lange Zeit beschäftigungslos in ihrer Wohnung im teuersten Teil Manhattans zu verbringen. Zudem ist sie ausgesprochen hübsch und hat ein Studium an einer Eliteuniversität abgeschlossen. Obwohl sie also oberflächlich betrachtet sehr privilegiert ist, sieht sie keinen Sinn im Leben und will sich für eine begrenzte Zeit in Schlaf auflösen. Sie hat keine nennenswerten Außenkontakte, wenn man von einer Freundin und einem Exfreund absieht, die ihr beide nicht nahestehen.

Beim Lesen macht sich eine eigenartige Leere breit, da die Protagonistin nicht zu greifen ist, sich nicht entwickelt und durch ihre oft menschenfeindlichen Kommentare wenig sympathisch wirkt. Sie beobachtet ihren Körper ständig und benutzt dabei eine Sprache, die Ottessa Moshfegh selbst als „not ladylike“ bezeichnet. Man kann große Teile des Erzählten durchaus exaltiert, wenn nicht sogar dekadent finden. Im Internet stößt man jedoch auf enthusiastische Stimmen zum Buch, mehrheitlich von eher jungen und amerikanischen Lesern, die sich bei der Lektüre köstlich amüsiert und mit der Hauptfigur und ihrer Kritik an der amerikanischen Gesellschaft identifiziert haben.

Wer sich von all dem nicht abschrecken lässt, sollte bis zum Ende dieses Jahresschlafs durchhalten. Nachdem auf fast 300 Seiten außer einigen Rückblicken auf das Vorleben der Heldin im New Yorker Kulturbetrieb und ständiger Tabletteneinnahme recht wenig passiert, überraschen die  letzten Seiten sehr.

Ich melde mich wieder nach Ostern am 21. April 2023 und stelle dann einen Roman vor, in dem es auch um eine Auszeit geht, die jedoch völlig anders genutzt wird und zu etwas ganz Neuem führt. 

(31.03.2023)