Der Düsseldorfer Journalist und Schriftsteller Jan Weiler ist seit vielen Jahren so erfolgreich, dass man argwöhnen könnte, dass alles, was er schreibt, automatisch gekauft wird. Wenn es dann noch so attraktiv verpackt ist wie in diesem bunten Leinenstoff mit unübersehbarem 70er-Jahre-Muster, verstärkt sich dieser Verdacht. Ich gebe daher gerne zu, dass ich zunächst etwas skeptisch war, ob es sich lohnen würde, einen solchen Roman im orange-braunen Grobmuster zu lesen. Aber ja, es lohnt sich, sehr sogar.
Das Buch, das ich nicht zufällig am Anfang der hessischen Sommerferien vorstelle, erzählt die Geschichte der 15jährigen Schülerin Kim, die von ihrer Mutter für sechs Wochen zu ihrem Vater abgeschoben wird, einem für sie nahezu fremden Mann. Kim hat zunächst keinerlei Lust auf lange Schulferien bei einem Menschen, den sie nicht kennt, selbst wenn er ihr Vater ist. Die erste Begegnung bringt eine große Enttäuschung für sie, weil der kleine, schüchterne Mann aus ihrer Perspektive ein klassischer "Loser" ist, der sich nichts von dem leisten kann, was für sie Alltag ist, d.h. Markenprodukte, große Autos, viel Platz und teure Reisen.
Kims Vater versucht völlig erfolglos, im Ruhrgebiet geschmacklich fragwürdige Markisen aus DDR-Zeiten im Haustürgeschäft zu vertreiben, was den Einband des Buches erklärt. Wer will schon Markisen im grellen Stil der 70er Jahre kaufen, und dann noch an der Haustür? Kim begleitet ihren Vater und findet bald wider Erwarten Abnehmer. Vater und Tochter lernen sich kennen und werden langsam ein Team.
Dieser Roman aus dem Ruhrgebiet mit skurrilen Figuren und köstlichen Sprüchen hat viele Facetten, ist sowohl lustig als auch rührend und zeigt, wie wenig Kinder oft von ihren Eltern wissen - und umgekehrt. Der Leser begleitet die beiden Protagonisten einen Sommer lang und wird von vielem überrascht, was sich bei den seltsamen Fahrten zu den Kunden und im bescheidenen Alltag des Vaters entwickelt.
Gegen Ende wird das Ganze noch in einen großen Gesamtzusammenhang gestellt, Hintergründe werden klar und Jan Weiler zeigt, dass er nicht nur komisch sein kann, sondern auch sehr menschliche Geschichten erzählen kann.
Wer für die Ferien noch nicht ausreichend Lesestoff hat oder sich generell für Coming-of-age-Geschichten interessiert, wird hier hervorragend bedient. Ich selbst habe mein Leseprogramm für die kommenden Ferien zusammengestellt und verabschiede mich bis zum 1. September, wenn ich einen höchst ungewöhnlichen französischen Erfolgsroman vorstellen werde.