Schwimmen zieht auf dem Buchmarkt und das schon seit Jahren. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wann es anfing, dass Buchläden besonders im Sommer ihre Schaufenster gerne mit Romanen über das Schwimmen dekorierten. Es ist jedenfalls schon seit ein paar Jahren so und die in Frankfurt lebende und sehr hoch gehandelte Schriftstellerin Zsuzsa Bánk hat diesen Trend mit ihrem hocherfolgreichen Debütroman 2002 vorweggenommen. Dabei würde man beim Stichwort Ungarn wohl nicht unbedingt an Schwimmen denken.
Aus der Perspektive eines Mädchens wird eine Kindheit in Ungarn von 1956 bis in die 60er Jahren beschrieben, die ein Vater mit seinen zwei Kindern auf dem Lande bei wechselnden Verwandten verbringt, nachdem die Mutter plötzlich alleine in den Westen geflohen ist und die Familie zurückgelassen hat. Der Vater, der Sohn Isti und die Tochter Kata reisen jahrelang durch Ungarn und verbringen Sommer an Seen, wo das Motiv des Schwimmens immer wieder auftaucht. Die drei führen ein hartes und bescheidenes Leben und die Kindern besuchen keine Schule, sondern sind ganz auf sich gestellt.
Das eigentlich Besondere an diesem vielfach preisgekrönten Roman ist sicher nicht die Handlung, sondern die Sprache, die den Leser mit ihrem melancholischen Rhythmus nahezu hypnotisiert, mit dem sowohl das ereignislose Leben in Ungarn als auch die Schwierigkeiten der Mutter beschrieben werden, in Deutschland Fuß zu fassen. Der Vater schwimmt sich frei und reagiert sich im Wasser ab von den zahlreichen Verlusten und Widrigkeiten seines enttäuschenden Lebens. Die Kinder beginnen spät mit dem Schwimmen, dann aber mit umso größerer Begeisterung. Vor allem für Isti ist das Schwimmen bald eine wichtige Fluchtmöglichkeit aus dem Alltag.
Das Buch hat von Anfang an Kritiker und Leser begeistert und ist viel gekauft worden. Heute distanziert sich die Autorin etwas von ihrem Erstlingswerk und findet seine Sprache zu schlicht, die Sätze aus kindlicher Perspektive zu einfach formuliert. Sie habe sich seit damals sehr weiterentwickelt, sagte sie kürzlich in einer Lesung. Dennoch ist das Buch aus meiner Sicht weiterhin sehr lesenswert – nicht nur für Menschen, die gerne beim Schwimmen Abstand vom Alltag suchen.
(14.06.2024)