Hans-Werner Sinn, Auf der Suche nach der Wahrheit: Autobiografie (2018)

Seit Jahren werden wirtschaftliche Zusammenhänge von Politkern aus meiner Sicht nicht überzeugend, stark vereinfachend und viel zu oberflächlich dargestellt. So werden beispielsweise gewaltige Schuldenpakete mit Comicsprache verharmlost (s. „Wumms“ und „Doppelwumms“). Mir drängt sich dabei häufig der Eindruck auf, als Bürger und Wähler nicht ernstgenommen zu werden. So begann ich auf der Suche nach Aufklärung die Lektüre dieses Buchs von einem, der wirklich Ahnung hat, und war schnell angetan von dem, was ich vom ehemaligen Chef des Münchner ifo Instituts für Wirtschaftsforschung Hans-Werner Sinn lernen konnte.

Der Autor stellt sich als einfacher Junge vom Dorf im Westfälischen vor, der in der Schule zunächst große Schwierigkeiten hatte, Hochdeutsch lernen und eine Klasse wiederholen musste. Er berichtet sehr offen darüber, wie er in kleinen Verhältnissen groß wurde und nichts von dem vorhersehbar war, was er sich durch sein Studium und sein intensives Forscherleben aufbauen sollte. Sein Volkswirtschaftsstudium führte ihn an große deutsche und auch ausländische Universitäten. Sinn stellt seine Reise durch die Volkswirtschaft sehr anschaulich dar und berichtet dabei auch viel aus seinem eigenen Leben und dem seiner Familie. Seine Autobiografie ist dadurch mit fast 700 Seiten recht umfangreich und oft sehr und bisweilen zu detailliert ausgefallen, für meinen Geschmack aber immer verständlich und auch lesenswert.

Das Buch richtet sich ausdrücklich nicht an Fachleute, sondern an den interessierten Leser, der sich eben nicht mit schnellen Äußerungen und Wahlkampfsprüchen abspeisen lassen will, sondern Zusammenhänge und Risiken begreifen möchte. Sinn zeigt sich sehr kritisch gegenüber etlichen Entwicklungen in der Währungs- und auch Klimapolitik und leidet unter der Beratungsresistenz vieler Politiker, die sich – mit Blick auf kommende Wahlen durchaus nachvollziehbar - immer wieder über Ausarbeitungen und Empfehlungen von Experten hinwegsetzen. Sinns zahlreiche Bücher sind daher auch als Versuch zu verstehen, den Bürger über Grundlagen der Wirtschaft und deren Umsetzung durch die Politik zu informieren, damit er sich sein eigenes Bild von der Lage machen kann. Das ist ihm aus meiner Sicht in dieser hochinteressanten Autobiografie gelungen.

(20.09.2024)

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