Anatol Regnier, Jeder schreibt für sich allein: Schriftsteller im Nationalsozialismus (2020)

Vor einigen Wochen bekam ich überraschend diesen aktuellen Titel geschenkt, den ich mir wahrscheinlich nicht selbst gekauft hätte, zumindest nicht in der Pandemie. Denn ich vermutete düsteren Stoff dahinter, was nur zum Teil stimmt. Anatol Regniers Familiengeschichte ist eng mit der von Künstlern und Schriftstellern in der Zeit des Nationalsozialismus verwoben. Seine Großmutter Tilly war lange mit Gottfried Benn liiert und seine Mutter Pamela mit Klaus Mann verlobt und Schauspielerin unter Gustaf Gründgens.

Regnier zitiert auf der Basis seiner umfassenden Recherche immer wieder die Autoren selbst zu ihren Überzeugungen und Entscheidungen. Er beschreibt exemplarisch das Verhalten einzelner Autoren und erhebt gar nicht erst den Anspruch, die Entwicklung aller damals relevanten Personen nachzuvollziehen. Die Reaktionen auf das Naziregime gingen von Mitmachen aus Überzeugung über Anpassung oder Wegducken bis zur Auswanderung. Gelang es denen, die blieben, ihre Integrität zu wahren? Eine einfache Unterscheidung zwischen Mitläufer und Regimegegner kann es nicht geben, denn es gab viele Nuancen. Wer will hier richten, wenn so unterschiedliche Charaktere wir Hans Fallada, Gottfried Benn, Erich Kästner, Agnes Miegel und Ina Seidel vorgestellt werden? Im Grunde musste jeder seinen Weg finden. Das gelang nicht immer und führte zu vielen Selbstmorden deutscher Schriftsteller, worauf der Titel hinweist in seiner Anspielung auf Falladas Roman "Jeder stirbt für sich allein".

Das Buch ist sicher lesenswert für geschichtsinteressierte Leser und solche, die sich mit der gesellschaftlichen Rolle und Verantwortung von Literatur beschäftigen wollen. Es zeigt die ganze Bandbreite von Auswirkungen historischer Umbrüche auf Einzelschicksale.

(12.2.2021)