Daniel Kehlmann, Tyll (2017)

Kann ein Roman über den Dreißigjährigen Krieg spannend und mitreißend sein? Ja, er kann, wenn sich ein Autor wie Kehlmann dieses Stoffes annimmt und eine schillernde Figur wie Tyll Ulenspiegel wieder auferstehen lässt.

Der Müllersohn Tyll ist schon früh geschickt im Jonglieren und Balancieren. Nach dem tragischen Tod seines Vaters verlässt er jung sein Dorf in Süddeutschland und wird begleitet von der Bäckerstochter Nele, die lange mit ihm reist, bis sie irgendwann einen Diplomaten heiratet und Tyll alleine weiterzieht.

Er ist als Gaukler unterwegs und tritt als dreister Hofnarr auf, der überall der Herrschaft frech die Stirn bietet. Er zieht lange unbestraft durch die kriegsgeschüttelten Lande und wird schließlich zur Armee eingezogen. Dort überlebt er wie durch ein Wunder mehrere lebensgefährliche Situationen, bis er zu den Friedensverhandlungen nach Osnabrück gelangt.

Es geht Kehlmann ganz offensichtlich nicht um die historische Aufarbeitung des langen Kriegs und auch die Figur des Eulenspiegels ist hier zeitlich nicht richtig eingeordnet. Es scheint eher um die Betrachtung des langen Krieges zu gehen, eines Glaubenskrieges, der verheerende Auswirkungen auf die Bevölkerung hat. Der Verlag hat für die Gestaltung des Einbands auf ein Gemälde von Goya zurückgegriffen, das die Wirren dieser Zeit gut einfängt.

Ich habe diesen Roman sehr gerne gelesen, da ich finde, dass er meisterlich zeigt, wie eine Gesellschaft durch lange Kriegsjahre, Unsicher- und Perspektivlosigkeit aus den Fugen geraten und manipulierbar werden kann.

(22.10.2021)