Emily St. John Mandel , Das Licht der letzten Tage/Station Eleven (2014)

In der Zeit zwischen den Jahren, in denen außer Verwandtentreffen oft wenig passiert ist, war mir nach Spannung und Aufregung, so dass ich nach diesem bekannten Titel griff. Das Ziel, die Zeit zwischen diversen Familienterminen kurzweilig zu überbrücken, habe ich damit bestens erreicht. Diese postapokalyptische Geschichte kann aber viel mehr.

Die Kanadierin Emily St. John Mandel beginnt ihr hocherfolgreiches Werk auf einer Bühne, wo ein bekannter Schauspieler mitten in einem Shakespeare-Stück zusammenbricht und stirbt. Danach geht die Welt fast unter, denn ein Grippe-Virus vernichtet in ganz kurzer Zeit 99% der Erdbevölkerung.

Dieses Sterben wird erst mal recht knapp abgehandelt. Die eigentliche Seuche wird eher knapp erwähnt und der Leser erfährt erst peu à peu anhand von wenigen Lebensläufen, was passiert ist. In einem ständigen Vor und Zurück beschreibt Mandel diese Figuren und ihr Leben. Dabei spielt der größte Teil des Buches in der Zeit 20 Jahre nach dem Virus, als sich nur noch wenige Menschen durch die verlassenen Landschaften und Städte Nordamerikas bewegen.

Nicht alle Hauptfiguren haben mich gepackt und auch Mandels Sprache ist über weite Strecken offenbar bewusst glanzlos. Die großen Fragen, die das Buch stellt, finde ich jedoch extrem interessant: Was brauchen wir zum Überleben? Was sollten wir bewahren? Was wird in Erinnerung bleiben? Die Autorin ist der Meinung, dass Shakespeare - stellvertretend für Kunst allgemein - überlebenswichtig ist. So werden seine Stücke von einer bunt zusammengewürfelten Truppe überlebender Künstler quer durchs Land gespielt.

„Station Eleven“ selbst ist ein Comic über eine verlorene Welt, der eine der Hauptfiguren sehr beschäftigt, und eine klare Parallele zur Geschichte darstellt. Der Roman ist sehr ungewöhnlich, reißt viele Themen an und bietet dadurch für ganz verschiedene Lesergruppen Anknüpfungspunkte. Er wurde lange vor der Pandemie geschrieben, schnell verfilmt und ein großer Erfolg. Liest man ihn in Corona-Zeiten, was ich hier ausdrücklich empfehlen kann, lässt er einen mit der beruhigenden Erkenntnis zurück, dass alles noch viel schlimmer hätte kommen können.

(14.01.2022)