Rüdiger Safranski, Einzeln sein: Eine philosophische Herausforderung (2021)

Manche Titel passen exakt in die Zeit, in der man auf sie stößt. So ging es mir mit Rüdiger Safranskis aktuellem Buch über das Einzeldasein. Nach fast zwei Jahren mit Lockdowns, Quarantäne und anderen individuellen Übungen sind viele von uns sehr erfahren auf diesem Gebiet. Safranski führt in seinem neuen Werk anhand bedeutender Philosophen durch die Entwicklung des Individualismus.

Dabei ist ihm – wie ich meine – eine hochinteressante und sehr gut lesbare Lektüre gelungen. Corona lässt er übrigens ebenso aus wie Bezüge zur Identitätsdebatte. Es geht ihm um mehr und Abstrakteres.  

Die Idee, sich besonders dann als Einzelner zu begreifen, wenn Autoritäten wie Staat und Kirche an Bedeutung verlieren, ist nicht neu. Safranski beginnt seine Betrachtungen zum Einzelnen daher schon in der Renaissance. Er sieht das damalige städtische Leben als Ausgangspunkt einer starken Selbstbehauptung und damit Entfernung vom gemeinschaftlichen Denken.

Anhand berühmter Einzelner wie Luther, Montaigne, Rousseau, Kierkegaard, Thoreau etc. stellt er dar, was sie zum Leben als Einzelner brachte, welche Erkenntnisse sie dabei gewannen und wie es ihnen damit ging. Mehrere Zwischenbetrachtungen helfen dem Leser zusätzlich, die Entwicklung des Einzelseins zu verstehen.

Manchem mag ein Buch etwas grob und leicht oberflächlich erscheinen, das mehrere Jahrhunderte Geistesgeschichte von der Renaissance bis zum Existenzialismus auf 250 Seiten zusammenfasst. Safranski selbst erhebt jedoch gar nicht den Anspruch, hier eine durchgehende Geschichte zu erzählen. Vielmehr geht es ihm darum, Ansätze in einen Zusammenhang zu stellen. Das ist ihm aus meiner Sicht gut gelungen. Ich kann es daher jedem empfehlen, der sich mit dem Leben als Einzelner beschäftigen will, und zwar gerade derzeit.

(28.01.2022)