Erik Fosnes Hansen, Ein Hummerleben (2016)

Manche Bücher lullen einen ein wenig ein und man erwartet zwar eine Auflösung, aber keinen fulminanten Schlag auf den letzten Seiten. Gerade aus dem Ende ziehen sie ihre eigentliche Stärke. Diese Taktik wendet auch der erfolgreiche und mehrfach preisgekrönte norwegische Autor Erik Fosnes Hansen in seinem Roman aus den Bergen in Norwegen an. Es geht um ein großes Luxushotel, das abgelegen in der norwegischen Natur liegt und auf eine stolze Geschichte zurückblicken kann.

Der elternlose Junge Sedd ist hier bei seinen Großeltern aufgewachsen und aus seiner Perspektive erfährt der Leser, was in der weitläufigen Hotelanlage vor sich geht. Noch hält Sedds stolzer Großvater, der Hoteldirektor, die Fassade aufrecht, aber der Leser merkt an vielen Stellen, dass es im Hintergrund brodelt, dass Rechnungen nicht bezahlt und Kredite nicht bedient werden können. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis alles wie ein Kartenhaus zusammenfällt.

Sedd und seine charmante Großmutter aus Wien scheinen jedoch nichts zu merken vom nahenden Ende einer Ära. Zumindest zeigen sie es nicht offen, selbst wenn immer weniger Gäste kommen und sich unerklärliche Vorkommnisse häufen. Statt die Probleme offen anzusprechen, sitzt der Großvater sie beschämt aus und wartet auf ein Wunder.

Das Buch zeigt, dass die Strategie der Realitätsverweigerung, die der Großvater gegen das sich grundlegend verändernde Tourismusverhalten seiner Landsleute fährt, nicht funktioniert. Er kann noch so tadellos seiner Arbeit nachgehen, er wird den Strom der Reisenden in Richtung Wärme und Süden nicht aufhalten. Ein Hummerleben illustriert ebenso eindrucksvoll wie unterhaltsam, dass es oft unumgänglich ist, mit der Zeit zu gehen, um zu überleben.

(20.05.2022)