Antje Rávik Strubel, Blaue Frau (2021)

Als der Roman Blaue Frau 2021 den Deutschen Buchpreis erhielt, vermutete ich darin zunächst hauptsächlich einen weiteren Beitrag zur #MeToo-Bewegung. Er ist aber deutlich mehr, nämlich ein aus meiner Sicht ganz exzellent konstruiertes und geschriebenes Buch. 

Antje Rávik Strubel war keine Unbekannte mehr, bevor sie acht Jahre lang an diesem Buch schrieb. Sie hatte bereits mehrere Werke veröffentlicht und Auszeichnungen erhalten. Ein Stipendium führte sie nach Helsinki, wo sie den größten Teil dieses Romans spielen lässt. 

Es geht um die junge Tschechin Adina, der etwas Schlimmes widerfahren ist, das immer wieder angedeutet wird, bis es schließlich beschrieben wird. Adina flieht vor ihrer Erinnerung und landet schließlich in Helsinki, wo sie sich in einer einfachen Wohnung verkriecht und in einem Hotel schwarzarbeitet. Sie lernt den estnischen EU-Abgeordneten Leonides kennen, einen Spezialisten für Menschenrechte. Die beiden beginnen eine Affäre, die Adina hilft, sich langsam zu öffnen, bis es zu einer dramatischen Begegnung kommt. 

Diese Geschichte über Macht, Machtmissbrauch und Ohnmacht ist recht aufwendig gestaltet, denn sie findet auf mehreren zeitlichen Ebenen und an verschiedenen Orten statt. Zudem taucht immer wieder die blaue Frau auf, eine Art Geist der Erzählung, und äußert sich zum Geschehen. 

Rávik Strubel beschäftigt sich hier mit ganz großen Themen und stellt die Machtverteilung innerhalb Europas und zwischen den Geschlechtern aus ihrer Sicht dar. Es entsteht dabei das ungeheuer menschliche Porträt  einer jungen Frau, die erst über ihren Schatten springen muss, um ihren Platz im Leben zu finden. 

(19.05.2023)