Christoph Poschenrieder (2015), Mauersegler

Manche Bücher überraschen den ahnungslosen Leser, der sie zufällig in die Hand nimmt. Er fängt an zu lesen und wird verblüfft von seinem unerwarteten Fund. So ging es mir mit diesem Roman von Christoph Poschenrieder über eine WG, in die fünf alte Männer ziehen, die sich seit Kindertagen kennen. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, warum dieses Buch bei der Kritik durchfiel, und ich empfehle es hier gerne weiter. 

Die fünf Freunde haben sehr jung den sechsten im Bunde verloren, der in einem Teich ertrank unter nicht ganz geklärten Umständen, was grundsätzlich keine neue Idee ist. Dennoch weicht die Beschreibung der Alten-WG und des treuen Zusammenhalts der sehr unterschiedlichen Männer stark ab von anderen Geschichten, in denen eine lebenslange Freundschaft auf einem gemeinsamen Geheimnis basiert.

Die Freunde verbringen zunächst zufriedene Jahre in einem großen, komfortablen Haus auf dem Lande, wobei der beträchtliche Wohlstand der Herren die Malaise des Alterns über Jahre sanft abfedert. Dann wird der Erste ernsthaft krank und die anderen pflegen ihn. Irgendwann erwischt es jeden. Alle verändern sich durch ihre Gebrechen und eine junge Pflegerin aus Kirgisistan zieht ein. Sie hat einen Plan für das Haus, was allen Beteiligten und dem Leser erst recht spät klar wird.

Dieses Buch thematisiert das Alter auf sehr besondere Weise mit ebenso viel schwarzem Humor wie rührender Nachsicht. Es ist zugleich eine Ode an die Freundschaft und ihre zentrale Rolle im Leben. Darüber hinaus ist es aus meiner Sicht wieder einmal ein Beweis dafür, dass die Meinungen von Kritikern und Lesern meilenweit voneinander entfernt sein können.

(22.12.2023)