Uwe Wittstock (2021), Februar 33: Der Winter der Literatur

Dieses Buch lag schon länger bei mir bereit, aber nachdem ich erst vor einem Jahr Anatol Regniers Werk mit ganz ähnlicher Thematik gelesen und auch hier vorgestellt hatte, wollte ich erst einmal ein wenig Abstand gewinnen. Dabei sind, wie sich sofort bei der Lektüre herausstellte, die beiden Bücher grundverschieden. Der bekannte Journalist Wittstock hat hiermit aus meiner Sicht ein so hochspannendes wie aufwühlendes Geschichtsbuch vorgelegt. In einem einzigen Monat erlischt der literarische Glanz der Weimarer Zeit und weicht dem Winter der Literatur.

Das Tempo, mit dem die Nationalsozialisten nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler in ihrer Gleichschaltung vorgingen, war atemberaubend. Wittstock beschreibt jeden einzelnen Tag vom 28. Januar bis zum 15. März 1933 und unterstreicht den irrsinnigen und zerstörerischen Rhythmus der Zeit mit politischen Kurznachrichten, die er am Ende jedes Kapitels wie abgehackt auflistet. 

Die Literaten gingen mit den rasanten Veränderungen und dem damit einhergehenden Verlust ihres Ansehens, ihres Besitzes und oft auch ihrer Existenzgrundlage ganz unterschiedlich um. Manche verließen das Land früh, manche warteten zu lange und wurden verhaftet. Alle einten jedoch ein tiefsitzender Schock und eine große Fassungslosigkeit aufgrund des Furors, der vor ihren Augen in ihren Reihen wütete.

Alle großen Namen der deutschsprachigen Literatur jener Zeit sind vertreten und werden in ihrer Reaktion auf die neue Politik beschrieben. Für mich ist dieses Buch ein ganz großer Wurf und ich kann es nur jedem empfehlen, der sich für diese Epoche, aber auch grundsätzlich für den Umgang mit Umstürzen interessiert. 

 

(11.02.2022)