Alejo Moguillansk/Luciana Acuña, La edad media/The Middle Ages (2022)

Gerade in Zeiten großer Unklarheit und Unruhe suchen viele Menschen nach Zerstreuung, indem sie beispielsweise ins Kino gehen, um sich trotz Maskenpflicht und Abständen Filme anzusehen. 156.000 verkaufte Eintrittskarten auf der diesjährigen Berlinale sprechen Bände darüber. Und das trotz hektischer Online-Beschaffung, strikter Hygieneauflagen und nicht zuletzt starker Stürme. Da wir uns ja hier in einem Bücherblog befinden, werde ich weder eine Eloge auf die erstklassige Organisation in Berlin und den reibungslosen Ablauf unter schwierigsten Bedingungen halten, noch von dem riesigen Filmangebot schwärmen, sondern besonders für einen argentinischen Film werben, in dem Literatur eine große Rolle spielt.

Der Film La edad media zeigt das Leben einer kleinen Familie in einem Haus irgendwo in Argentinien während der Pandemie. Der Vater ist Regisseur, die Mutter Tänzerin und die 10jährige Tochter Cleo Schülerin im Online-Unterricht. Die Hündin der Familie ist ebenfalls von zentraler Bedeutung im Film, denn sie scheint alles verwundert zu beobachten und kann bei dem Irrsinn, den die Hausbewohner unentwegt veranstalten, oft nur die Ohren anlegen.

Was treiben also diese Menschen, die ihr normales Leben zumindest temporär aufgeben müssen, in dem kleinen Haus? Während die Mutter mit überschaubarem Erfolg versucht, Online-Tanzstunden zu geben, dreht der Vater am Rechner immer wieder dieselbe kurze Szene aus "Warten auf Godot". Cleo gibt den Online-Unterricht schnell auf und liest mit wachsendem Interesse Samuel Becketts Buch, das ihr bei den Dreharbeiten des Vaters zufällig in die Hände gefallen ist. Die Handlung im Haus wird immer absurder, als Cleo beginnt, zunächst vorsichtig, dann immer ungehemmter Gegenstände aus den Haus zu verkaufen, um vom Erlös ein Teleskop zu bestellen. Da die Inflation den Preis des Teleskops schnell in die Höhe treibt, verkauft sie immer mehr und das Haus leert sich langsam. 

Diese Pandemie-Komödie aus Argentinien ist ein sehr ungewöhnlicher Film, in dem Becketts absurdes Theater von der Wirklichkeit fast überholt wird. Auch geht es um Inflation und um die Frage nach dem Fortbestand von Kunst und Kultur, wenn Künstler nicht mehr arbeiten können. Zur Auseinandersetzung mit der Skurrilität unseres Lebens in den letzten zwei Jahren kann ich diesen besonderen Film auf jeden Fall empfehlen.

 

(25.02.2022)