Der Bildungsforscher und Soziologe El Mafaalani ist ein engagierter Wissenschaftler, der sehr rege am öffentlichen Diskurs zu ihm wichtigen Themen teilnimmt. Das brachte ihm 2023 das Bundesverdienstkreuz am Bande ein. Wenn er sich meldet, geht es um Migration und Bildung und man versteht ihn in seinen Interviews ebenso gut, wie man seinen Gedankengängen in seinem aktuellen Buch folgen kann. Er beherrscht die Fähigkeit, komplexe und brisante Zusammenhänge nachvollziehbar darzustellen, ohne zu polemisieren.
Gemeinsam mit seinen Kollegen, den Sozialwissenschaftlern Kurtenbach und Strohmeier, stellt El Mafaalani zunächst einmal fest, dass die Statistiken eine klare Sprache sprechen: Kinder bilden im Einwanderungsland Deutschland eine Minderheit. Auf zwei Rentner kommt derzeit nur ein Kind und bis 2036 erreichen fast 20 Millionen Erwerbstätige, nämlich die Babyboomer, das Rentenalter.
Der Alltag der Kinder ist nicht immer rosig. Sie verbringen bis zu 40 Stunden/Woche in unterfinanzierten Bildungseinrichtungen und ihre Lebensrealität ist – so die Verfasser - von Bildungsungleichheit, Dauerkrisen und dem Eindruck politischer Machtlosigkeit geprägt. Da die Eltern der wenigen Kinder meistens berufstätig und zwischen vielen Verpflichtungen hin- und hergerissen sind, bleiben ihnen oft wenig Raum und Zeit, um sich mit den Bedürfnissen ihrer Kinder zu befassen. Gerade wenn man an die Rentenbeschlüsse der letzten Tage denkt, kann man den Autoren nur beipflichten in ihrer Behauptung, dass in der Politik viel mehr von alten als von jungen Menschen die Rede ist. Schließlich stellen die Alten die größte Wählergruppe dar.
Man muss nicht in allem mit den Autoren übereinstimmen, aber man kann ihre datengestützten Aussagen nicht einfach ignorieren. Die eigentliche Frage ist: Was tun? Wie kann die Situation für die Kinder in einer alternden Gesellschaft verbessert werden? Genau in den zahlreichen konkreten Antworten auf diese Frage liegt die Stärke dieses erfreulich unpolemischen Buches. So schlagen die Autoren vor, Kitas und Schulen als „multifunktionale und multiprofessionelle Organismen“ zu begreifen, in denen sich viele einbringen können, besonders die Babyboomer, die schon oder bald als (Früh-)Rentner mehr Zeit haben werden und hier sinnvolle neue Aufgaben finden können. Es ist ein Geben und Nehmen und wer soll die vielen Alten demnächst versorgen, wenn die jetzigen Kinder nicht gut ausgebildet werden?
Ich könnte noch viel schreiben zu diesem bemerkenswerten und ideenreichen Buch. Stattdessen empfehle ich es lieber all denen zur Lektüre, denen die Lage der Kinder und damit die Zukunft der Gesellschaft am Herzen liegen.
(04.07.2025)