Alan Bennett, Die souveräne Leserin/The Uncommon Reader (2007)

Wir werden derzeit mit vielen schlechten Nachrichten und großer Unsicherheit konfrontiert. Deshalb habe ich hier bewusst einen Titel ausgewählt, der heiter und erfreulich, dabei aber keineswegs platt ist. Viel Vergnügen auf diesem literarischen Ausflug nach London!

Alan Bennett hat viel für Radio und TV gearbeitet, seit den 90er Jahren aber auch Prosa geschrieben, darunter diesen kleinen Band.

Auf einem Spaziergang zeigen ihre Hunde der Queen den Weg zu einem Bücherbus, der wöchentlich ganz in der Nähe des Palastes hält. Sie ist überrascht und leiht sich einen Roman aus. Pflichtbewusst und diszipliniert liest sie das Buch durch und bringt es zurück. Sie leiht sich ein weiteres Buch aus und trifft dabei auf den Küchenjungen Norman, der sich regelmäßig dort Lektüre besorgt. Die Queen findet immer mehr Freude am Lesen, befördert Norman, mit dem sie ihr neues Hobby Lesen teilt, zu ihrem literarischen Assistenten und lässt sich von ihm Bücher empfehlen.

Nachdem sie das Lesen für sich entdeckt hat, nimmt sie sich immer mehr Zeit dafür. Das irritiert ihre Mitarbeiter am Hof zunehmend, da sie ihren zahlreichen Pflichten nur noch halbherzig nachkommt. Sie setzt sich über diese Irritationen hinweg und liest immer mehr öffentlich vor, beispielsweise in ihrer Weihnachtsansprache und auf Staatsbesuchen. Ein sehr alter ehemaliger Hofdiener wird schließlich herbeigeholt, der der Queen das viele Lesen ausreden soll, und diese Begegnung verändert ihr Verhalten: Sie beginnt zu schreiben und überrascht alle.

Dieses Buch ist ungewöhnlich, hat einen speziellen Humor und zeigt eine Monarchin, die sich in schon recht hohem Alter mit ihrer Lebensleistung kritisch auseinandersetzt. Ich empfehle diese Lektüre auf einer oberflächlichen Ebene Englandfreunden und Fans der Royals, auf einer tieferen Ebene Lesern, die sich mit der Rolle von Literatur in ihrem Leben beschäftigen wollen.

(26.06.2020)