Ali Smith, Es hätte mir genauso/There but for the (2011)

In einer Zeit voller Einschränkungen fühlen sich viele isoliert und leiden darunter. Dass es Menschen geben kann, die Kontakt freiwillig vermeiden und sich einer Gruppe entziehen, beweist dieser Roman. Er kam mir neulich wieder in den Sinn, als die nächste Runde von Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie bekannt wurde. Hier kommt ein Gast zum Abendessen und geht nicht mehr. Was ein netter Abend werden soll, führt zu einer Dauerblockade des Gästezimmers. 

Ali Smith ist Schottin und hat bereits eine Reihe von Büchern geschrieben, die ihr in anderen Ländern bislang deutlich mehr Bekanntheit gebracht haben als in Deutschland. Dabei hat sie sehr ungewöhnliche Ideen, wofür auch dieser Roman ein Beispiel ist.

Bei einem Abendessen in Greenwich erscheint Miles Garth als Freund eines Freundes. Er ist Vegetarier und trinkt keinen Alkohol. Er macht ein paar sehr offene Bemerkungen, fällt aber ansonsten nicht auf. Während des Essens steht er auf und verlässt den Tisch. Er bewegt sich aber nicht etwa in Richtung Badezimmer, sondern schließt sich im Gästezimmer ein und weigert sich, wieder herauszukommen.  Der ungebetene Dauergast wird schnell zu einer lokalen Berühmtheit und eine Fangemeinde versammelt sich vor dem Haus. Vier Personen versuchen, zu ihm durchzudringen, unter anderem die neunjährige Brooke mit ihren neunmalklugen Wortspielen.

Der Roman mit einem abgebrochen klingenden Titel ist sprachlich gelungen mit einfallsreichen Formulierungen und Wortwitz. Er zieht sich nach dem originellen Beginn jedoch recht zäh hin und gewinnt erst allmählich an Fahrt, als einzelne, mit Miles früher verbundene Charaktere ins Spiel kommen. 

Wirklich interessant und empfehlenswert ist das Buch meines Erachtens nur für jene, die nicht gerne an gesellschaftlichen Anlässen wie Partys teilnehmen und am liebsten ebenfalls das Weite suchen würden, wenn sie zu viel Smalltalk ertragen müssen.

(20.11.2020)