Tilman Spreckelsen, Otfried Preußler: Ein Leben in Geschichten (2023)

Was sich im Nachhinein wie eine ungebrochene Erfolgsgeschichte liest, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein sehr facettenreiches Leben mit ausgeprägten Höhen und Tiefen. Der Journalist und Autor Tilman Spreckelsen hat anlässlich seines runden Geburtstags im vergangenen Jahr sehr gründlich zu Otfried Preußler recherchiert und die Stationen eines bewegten Lebens nachgezeichnet.

Der 1923 in Böhmen geborene Lehrersohn Preußler wurde schon in seiner Kindheit mit den Sagen und Märchen seiner Heimat vertraut gemacht, die er später in seine Werke mit einfließen ließ. Er verbrachte eine recht behütete Kindheit und Jugend in Böhmen und die Streifzüge durch das Riesengebirge mit seinem Vater prägten ihn.

Dass Preußler früh in die Hitlerjugend eintrat und dem Krieg gegenüber zunächst unkritisch war, verschweigt Spreckelsen ebenso wenig wie die zu Beginn kriegsbejahende Einstellung des Vaters. Direkt nach seinem Abitur wurde Preußler 1942 eingezogen, kam an die Ostfront und verbrachte nach Kriegsende fünf Jahre in russischer Gefangenschaft. Erst im Alter von 25 Jahren kam er schließlich nach Westdeutschland, wohin seine Familie und auch seine Verlobte Annelies geflohen waren, um ein neues Leben zu beginnen. 

Preußler war ein ausgesprochen vielseitiger, fleißiger und produktiver Mensch, der zunächst über Jahrzehnte neben dem Schreiben einer Tätigkeit als Grundschullehrer nachgehen musste, um die fünfköpfige Familie, die er mit seiner Annelies gegründet hatte, zu ernähren. Für sein erstes, neben dem Schuldienst geschriebenes Buch „Der kleine Wassermann“, dessen Grundidee aus einer böhmischen Sage stammt, erhielt er 1957 den Jugendbuchpreis und damit begann eine sagenhafte Kinderbuchkarriere. Erst mit 46 Jahren konnte er jedoch allein von seiner schriftstellerischen Arbeit leben und seine Tätigkeit als Pädagoge aufgeben.

Der ungeheure, bis heute ungebrochene Erfolg seiner Bücher wie z.B. „Die kleine Hexe“, „Das kleine Gespenst“ und „Krabat“ beruht wohl zum Teil darauf, dass Preußler sich immer sehr stark um Kontakt zu seinen jungen Lesern bemühte, Leserbriefe beantwortete und viele Lesungen hielt. Auch als sich ab 1968 die Jugendbuchszene veränderte und ihm vorgeworfen wurde, er stelle nur „heile Welt“ dar, ließ er sich von seinem Kurs nicht abbringen und schrieb weiter seine literarisch gelungenen und dabei von Kindern mit Spaß zu lesenden Werke.

Dass Preußler in der Schule Tschechisch lernen musste, empfand er als junger Mensch als erhebliche Hürde und auch Schikane. Viel später, nämlich nach 1964, sollte ihm jedoch genau dieser Umstand ermöglichen, als wichtiger kultureller Vermittler zwischen Deutschen und Tschechen zu agieren. 

Spreckelsen legt mit seiner Preußler-Biographie eine stets liebevolle, dabei nicht beschönigende Auseinandersetzung mit Leben und Werk des Autors vor für alle die, die es genau wissen wollen. Es bleibt vor allem zu hoffen, dass Eltern weiterhin den Wert von Preußlers zeitlos hochwertiger Kinderliteratur zu schätzen wissen und ihren Kindern aus Preußlers Werken vorlesen.

(26.01.2024)